Die Möglichkeiten der tierversuchsfreien Forschungsmethoden

Erst durch den Einsatz tierversuchsfreier Forschungsmethoden ist es möglich, die Erkenntnisse und Forschungsergebnisse zu erlangen, die für den Menschen von Bedeutung sind.

Tierversuchsfreie Forschungsmethoden – Forschung an humanem Material oder direkt am Menschen

Mikrodosierung

Mikrodosierung ist eine sichere und effektive Methode, um zu erforschen, wie ein Arzneimittel auf einen Menschen wirktDurch die Kombination von Microdosing und Accelerator Mass Spectrometry (AMS) lässt sich die Wirkung von Testsubstanzen direkt am Menschen untersuchen. Dabei wird die Testsubstanz in einer so niedrigen Dosierung verabreicht, dass die Substanz keine pharmakologische Wirkung hat und im Körper der Person bloss mittels Präzisionsanalyse (AMS) nachgewiesen werden kann. Durch das Zählen einzelner Atome ist AMS in der Lage, geringste Mengen der Testsubstanz in Blut- und Harnproben nachzuweisen. Durch regelmässige Blutentnahmen kann der Weg der Substanz verfolgt werden. Die Verstoffwechslung, Verteilung, Absorption und Ausscheidung einer Testsubstanz kann so genau und realitätsgetreu an Menschen mit verschiedenen physischen Voraussetzungen, die Krankheiten mit sich bringen, bestimmt werden.20, 21

In vitro

Dank In-vitro-Methoden ist es heutzutage möglich, komplette Zellkulturen und sogar menschliche Organe nachzubildenDie In-vitro-Forschung umfasst eine grosse Vielzahl an verschiedenen Methoden. Sie alle ermöglichen die Forschung an organischem Material ausserhalb eines Körpers.
Durch Probenentnahmen bei Patienten lassen sich spezifische menschliche Zellen gewinnen. Diese können im Labor auf einem geeigneten Nährboden angesiedelt und «gezüchtet» werden. Die kultivierten Zellen behalten dabei ihr natürliches Verhalten bei. Zelluläre Prozesse, wie zum Beispiel der Zellstoffwechsel, können anhand von Zell- und Gewebekulturen genau untersucht werden.
Dank diverser Techniken und auch dem Einsatz von Hilfsmitteln wie Bioreaktoren oder Inkubationsgefässen ist es möglich, Gewebe dreidimensional aufzubauen und ganze Organsysteme herzustellen. Bioreaktoren und Inkubationsgefässe sorgen für organismustypische Bedingungen, Stoffversorgung und -austausch. Durch den Einsatz von In-vitro-Techniken lässt sich zum Beispiel das menschliche Auge mit all seinen Schichten nachbilden.
Dank den Kulturen lassen sich die verschiedensten Vorgänge im menschlichen Körper unter beliebig manipulierbaren Umständen (Immunsystem, Krankheiten) erforschen. Die Wirkung von Testsubstanzen kann unter realistischen Umständen genau erfasst und bewertet werden.21

In silico  

In-silico-Zellmodellierung liefert zum Beispiel Aufschluss darüber, wie Stoffe chemisch aufgebaut sein müssen, damit sie im menschlichen Körper an der richtigen Stelle Wirkung zeigenZu den In-silico-Methoden zählen viele verschiedene computergestützte Techniken wie Computermodelle, mathematische Berechnungen, analytische Verfahren und molekulare Modellbildung.
In-silico-Methoden sind in der Lage, eine grosse Anzahl von bereits bekannten menschlichen Daten zu erfassen und diese der Fragestellung entsprechend zu nutzen, indem kombiniert und berechnet wird oder komplexe Abläufe simuliert werden.
Dank Methoden wie In-silico-Modellierung können die Eigenschaften (Molekularstruktur, Wirkung und Giftigkeit) eines Stoffes und deren Auswirkungen auf andere Stoffe oder Stellen innerhalb des menschlichen Körpers genaustens ermittelt werden. So ist es möglich, herauszufinden, wie eine Substanz chemisch aufgebaut werden muss, damit sie im Körper an der richtigen Stelle auf die benötigte Weise wirken kann.
Mittels Verfahren aus der analytischen Chemie können unter anderem chemische Eigenschaften von Substanzen analysiert und kleinste Stoffbestandteile aufgespürt werden.
Moderne Analyseverfahren ermöglichen eine extrem präzise Diagnose von diversen Krankheiten.21, 22

Biochips

Ein Biochip fungiert als Mini-Labor und vereint In-vitro- und In-silico-MethodenEin Biochip vereinigt In-vitro und In-silico-Techniken. Im Grunde genommen ist er ein Mikrochip, der als Zellträger fungiert und je nach Zelleinsatz ein bestimmtes miniaturisiertes System darstellen kann. Es lassen sich nicht bloss spezielle Zellkulturen ansiedeln, sondern sogar Organe oder ein komplettes Organismussystem. Der Biochip ermöglicht eine extrem schnelle Auswertung verschiedenster Daten auf sehr kleinem Raum.
Es ist damit möglich, die Verstoffwechslung einer bestimmten Substanz in einem zusammenhängenden realitätsgetreuen System zu untersuchen. Die Bedingungen, unter denen die Untersuchung ablaufen soll, können je nach Fragestellung verändert werden. So kann z.B. auf spezielle physische Voraussetzungen, die Krankheiten mit sich bringen, gezielt eingegangen werden. Verteilung und Wirkung einer Testsubstanz können genau verfolgt und ihre Abbauprodukte präzise lokalisiert werden.21

Bildgebende Verfahren

Bildgebende Verfahren machen es möglich, dass das menschliche Gehirn ohne Eingriff studiert werden kannDank der verschiedenen modernen bildgebenden Verfahren können Abläufe im menschlichen Körper auf einem Monitor sichtbar gemacht werden. So ist es beispielsweise möglich, mit funktioneller Magnetresonanztomographie das Hirn beim Arbeiten zu beobachten und dabei festzustellen, welche Hirnareale unter verschiedenen Umständen aktiv sind und wie sie auf bestimmte Einflüsse reagieren. Es ist heutzutage auch möglich, eine Testsubstanz so zu behandeln (markieren), dass diese im Gehirn mittels Positronen-Emissionstomographie beobachtet werden kann. Ihre Verteilung und Anreicherung kann auf  diese Weise genaustens lokalisiert und gemessen werden. Mittels Magnetresonanzspektroskopie können verschiedenste Stoffe, wie zum Beispiel Neurotransmitter, im Gehirn ermittelt und gemessen werden. Dies gibt unter anderem darüber Aufschluss, womit und auf welche Weise Stoffwechselvorgänge im Hirn beeinflusst werden.
Da der Patient bei diesen schonenden, sogenannten nicht-invasiven Methoden (Prozeduren, bei denen Geräte oder Katheter nicht in den Körper eindringen), bei Bewusstsein ist, kann er sein Befinden während der Untersuchung mitteilen.21, 23

Klinische Forschung

Die klinische Forschung nutzt gesammelte Daten aus Patientenbehandlungen Die klinische Forschung macht sich Erkenntnisse aus Patientenbehandlungen zunutze. Bei dieser Forschungsmethode werden Patientenbehandlungsdaten gesammelt und erfasst. Das ermöglicht der Forschung, direkte Rückschlüsse zu ziehen und die Datenauswertung für weitere Behandlungen zu nutzen. So kann die klinische Forschung unter anderem den Anstoss zur Reduktion von Therapie-Nebenwirkungen geben. Das Studieren der Parallelen und Abweichungen zwischen verschiedenen Therapieauswirkungen liefert einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung von Behandlungsstrategien.
Obwohl der Grossteil des heutigen medizinischen Wissensstandes auf der Beobachtung kranker Menschen basiert, bleibt diese Forschungsmethode in der Praxis weitgehend ungenutzt.24


Dies ist nur eine Auswahl von tierversuchsfreien Forschungsmethoden.
In der Praxis werden verschiedene Methoden kombiniert angewandt. Je nach Forschungsschwerpunkt und Fragestellung ist die eine tierversuchsfreie Methode besser geeignet als die andere.

Argumente der Tierversuchsbefürworter wie: «Die Einzelzelle hat keinen Blutdruck! Sie hat keine Psyche! Komplexe Abläufe des Nervensystems lassen sich nicht in der Einzelzelle untersuchen»25 sind völlig sinnlos und basieren meist auf Unwissenheit, Bequemlichkeit oder Ignoranz.
Natürlich stimmt dies bezogen auf die Einzelzelle. Um komplexe Abläufe des menschlichen Nervensystems veranschaulichen zu können, ist eine einzelne Zelle genauso wenig geeignet wie ein Tiermodell. Natürlich bedient sich die tierversuchsfreie Forschung nicht einer einzelnen isolierten Zelle, um komplexe Abläufe des Nervensystems zu untersuchen. Je nach Fragestellung können hier zum Beispiel Biochips zum Einsatz kommen.

Das Argument, dass Tierversuche nicht durch tierversuchsfreie Forschungsmethoden ersetzt werden können, stimmt allerdings – mit tierversuchsfreien Methoden ist es nicht möglich, Mäusen Krebs anzuzüchten oder die Schmerzgrenze eines Affen zu erforschen.

Alles, was den Menschen betreffend erforscht werden muss, kann und soll mit tierversuchsfreien Forschungsmethoden erforscht werden.
Nur durch den Einsatz tierversuchsfreier Methoden kann fortschrittliche Forschung, die auf die Bedürfnisse des Menschen eingeht, betrieben werden. Im Gegensatz zur Tierversuchsforschung hat die tierversuchsfreie Forschung ein enorm riesiges Potential.


Den kompletten Artikel (erschienen im Albatros Nr. 36 - September 2012) können Sie hier downloaden:
Die Medizin der Zukunft - Die Möglichkeiten der tierversuchsfreien Forschung
Quellenangaben - Forschung der Zukunft