Die Gefahren der Tierversuche und der sogenannten Ersatz- und Alternativmethoden
Jeder, der sich schon mal mit der Packungsbeilage eines Medikamentes befasst hat, ist wohl schon auf einen Satz wie «An Kindern unter 12 Jahren nicht getestet» gestossen.
Wenn schon die Übertragbarkeit der Ergebnisse aus klinischen Studien innerhalb der Art Mensch nicht gegeben ist, wie verhält es sich dann erst recht mit der Übertragbarkeit von Tier auf Mensch?
Die verschiedenen Arten unterscheiden sich bezüglich Stoffwechsel und Organfunktionen so sehr voneinander, dass die Annahme, Resultate aus Versuchen an der einen Art seien auf eine andere Art übertragbar, schlichtweg leichtsinnig ist.
Eine Studie der amerikanischen Arzneimittelzulassungsstelle FDA hat ergeben, dass 92% aller Medikamente, welche im Tierversuch erfolgversprechend sind und als unbedenklich gelten, bei Menschen wirkungslos oder sogar gefährlich sind und daher gar nicht erst zugelassen werden.1, 2 Von den übrig bleibenden 8% der Medikamente, die auf den Markt kommen, muss aufgrund schwerwiegender Nebenwirkungen die Hälfte wieder vom Markt genommen oder deren Beipackzettel ergänzt werden.3
Während viele Stoffe aufgrund der Resultate im Tierversuch fälschlicherweise als unbedenklich und sicher für den Menschen erklärt werden, geschieht es in der Tierversuchsforschung laufend, dass Stoffe, die für den Menschen unbedenklich wären, im Tierversuch durchfallen und deshalb als gefährlich für den Menschen eingestuft werden.
Der deutsche Forscher Thomas Hartung hat wissenschaftlich belegt, dass rund 60% der Stoffe, die in Tierversuchen als giftig eingestuft und deshalb nicht weiter untersucht werden, für Menschen ungiftig sind. Handkehrum werden bis zu 40% der giftigen Stoffe im Tierversuch nicht erkannt und somit für Menschen als ungiftig erklärt.4
Die Tierversuchsforschung führt unweigerlich dazu, dass viele potentiell wirkungsvolle Medikamente oder auch medizinische Techniken gar nicht erst weiter überprüft und dem Menschen vorenthalten bleiben.4, 5, 6, 7
Penicillin wäre nicht als Medikament zugelassen worden, wenn man sich schon in der Zeit seiner Entdeckung auf Tierversuche verlassen hätte. Penicillin ist für viele Tierarten schädlich und wäre somit bei der heutigen Vorgehensweise der Wirkstoffzulassung durchgefallen.8
Heutzutage gängige Bypassoperationen unter Verwendung körpereigener Venen wären uns ebenfalls beinahe vorenthalten geblieben. Diese hatten sich in Versuchen an Hunden als unmöglich herausgestellt und wurden deshalb am Menschen nicht durchgeführt. Erst aufgrund von Berichten erfolgreicher Operationen aus Kriegsgebieten wurden diesbezüglich menschenbezogene Untersuchungen angestrengt.9
Hinzu kommt, dass im Tierversuch an künstlich erzeugten Krankheiten geforscht wird. Das Tier wird durch medizinische Eingriffe so manipuliert, dass es die Symptome einer bestimmten Krankheit zeigt. Diese künstlich hervorgerufenen Krankheitssymptome haben mit der Krankheit, wie diese beim Menschen vorkommt, kaum etwas gemein.
Damit ein für Versuche verwendetes Tier die gewünschten Krankheitssymptome zeigt, werden häufig zusätzliche Gene in dessen Erbgut eingebracht oder Gene ausgeschaltet. Die Produktion einer sogenannten transgenen Tierlinie ist sehr zeitintensiv und kostet unglaublich vielen Tieren das Leben.10 Durch den gentechnischen Eingriff wird nicht bloss ein Gen ein- oder ausgeschaltet, die Genmanipulation führt zu diversen Wechsel- und Nebenwirkungen. Diese können so ausgeprägt sein, dass das Tier nicht mehr «lebensfähig» ist und getötet werden muss.
Gelingt es schliesslich nach vielen Jahren, eine transgene Tierlinie nach Wunsch herzustellen, zeigt das genmanipulierte Tier die Krankheitssymptome unter völlig realitätsfremden, konstruierten Umständen. Diese künstlich hervorgerufenen Krankheitssymptome beim Tier und die Krankheit beim Menschen haben keinerlei Zusammenhang.
Die Umstände, unter denen Krankheitssymptome beim Menschen auftreten – die Mechanismen der Krankheit selbst –, werden beim Tierversuch völlig ausser acht gelassen.
Wird eine neue Substanz an einem Tier getestet, liefert das Ergebnis lediglich Erkenntnis darüber, wie dieses Tier auf die verwendete Substanz unter den gegebenen, manipulierten Umständen reagiert. Man kann bloss raten, welche Wirkung die Substanz auf eine andere Art unter anderen Umständen hat.
Die Tierversuchsforschung ist in einer Sackgasse. Es werden Unmengen an Zeit und Geld investiert, um herauszufinden, wie man ein Tier manipulieren muss, damit es die gewünschten Symptome zeigt. Findet sich unter Umständen sogar ein Heilmittel gegen die künstlich erzeugten Krankheitssymptome des Tieres, bedeutet dies jedoch nicht, dass sich die «entsprechende» Krankheit beim Menschen mit diesem Mittel heilen lässt. So ist es tatsächlich seit vielen Jahren möglich, Affen erfolgreich gegen HIV zu impfen und Krebs bei Mäusen zu heilen.11, 12
Seit einiger Zeit sind Forscher(innen) in Europa dazu angehalten, das «3R-Prinzip» anzuwenden. Die 3R-Forschung und die sogenannten Alternativmethoden mögen auf den ersten Blick zwar fortschrittlich sein und sind dem Tierversuch vorzuziehen, jedoch propagieren sie leider die Meinung, dass Forschung ohne Tierversuche nicht möglich ist.
Die 3R-Forschung und die Alternativmethoden orientieren sich an den Forschungsergebnissen aus Tierversuchen. Ihr Ziel ist, einen Tierversuch durch eine alternative Methode zu ersetzen, die in der Lage ist, dasselbe Resultat hervorzubringen wie der entsprechende Tierversuch.
Die 3R-Forschung verfolgt das Ziel, Tierversuche zu ersetzen sowie die Zahl und die «Belastung» der Tiere zu reduzieren: Replace = Ein Tierversuch soll, wenn möglich, durch eine Alternativmethode ersetzt werden; Reduce = Die Zahl der verwendeten Tiere soll möglichst tief gehalten werden; Refine = Die Tiere sollen im Versuch möglichst wenig «belastet» werden.13
«Replace» bedeutet nicht etwa, dass nun Forschungsmethoden entwickelt und eingesetzt werden, die auf die Bedürfnisse des Menschen eingehen, indem an menschlichem Material oder am Menschen geforscht wird.
In der Praxis bedeutet «Replace» bloss, dass ein Tierversuch dann ersetzt wird, wenn sich eine Alternativmethode finden lässt, die bei einem bestimmten Versuch das gleiche Ergebnis liefert wie der zu ersetzende Tierversuch.
3R-Forschung bedeutet auch nicht, dass fortschrittliche Methoden (in vitro, in silico oder bildgebende Verfahren) die Eingriffe am lebendigen Tier ersetzen – auch der Einsatz einer alternativen Tierart und das Entwickeln eines neuen, weniger qualvollen Tierversuches entsprechen dem 3R-Prinzip. So werden zum Beispiel in der EU 12 Millionen dafür eingesetzt, dass der Zebrafisch die Maus in der Krebsforschung ablöst.14
Den 3R kann man sehr schnell gerecht werden; so bedeutet laut dieser Regelung z.B. auch der Einsatz einer kurzlebigen Tierart eine verminderte Qual für das einzelne Individuum.
Es bringt die Forschung nicht weiter, wenn eine Versuchsmethode (Tierversuch), die zu einem schlechten Ergebnis führt, durch eine andere Methode (Ersatz- und Alternativmethode), die zum gleichen schlechten Ergebnis führt, ersetzt wird.
Unsinnigerweise werden, im Rahmen der 3R-Forschung, fortschrittliche Techniken meistens unter Einsatz von tierischem anstatt menschlichem Material angewandt. Damit führen Alter-nativ¬methoden zwar dazu, dass weniger Tiere leiden müssen, sie bedeuten jedoch keinen wissenschaftlichen Fortschritt bezüglich Übertragbarkeit und humanspezifischer Forschung.
Folgender Ausschnitt des Zeitungsberichtes «Fortschritte in der Aids-Forschung» verdeutlicht, wie die Forschung mit der gezielten Publikation vermeintlich bahnbrechender Tierversuchsergebnisse für Tierversuche wirbt. Am 12. 9. 2011 veröffentlichte «Süddeutsche.de» den Artikel «Transgene Tiere – Leuchten für die Aids-Forschung»: (...) Wissenschaftler haben Katzen mit einem Affen-Gen ausgestattet, das sie möglicherweise vor der Katzen-Immunschwäche schützt. Es handelt sich dabei um eine Seuche, die Aids bei Menschen ähnelt. Auslöser ist ein Verwandter des HI-Virus, das FIV (Felines Immundefizienz-Virus) (...) Als Nebeneffekt des Experiments leuchten die Katzen in UV-Licht, da sie zugleich mit dem sogenannten GFP-Gen ausgestattet wurden, einem Gen, das ursprünglich aus Quallen stammt und dazu führt, dass der Träger ein grün fluoreszierendes Protein produziert (...) Die Katzen tragen nun auch ein Gen zur Produktion des Proteins TRIMCyp. Und dieser sogenannte Restriktionsfaktor bewahrt die Makaken davor, sich mit dem Katzen-Aids-Virus FIV zu infizieren. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass nun auch die Katzen vor einer solchen Infektion geschützt sind (...)19 Der Titel dieses Berichtes suggeriert dem Publikum, dass durch den publizierten Tierversuch «Fortschritte in der Aids-Forschung» erzielt werden. Dass genmanipulierte, künstlich FIV-infizierte Katzen nichts mit HIV-infizierten Menschen gemein haben, wird dabei gern ignoriert. Es ist unfassbar, wie viel Geld und Zeit für Tierversuche wie diesen verschwendet werden. |
Den kompletten Artikel (erschienen im Albatros Nr. 36 - September 2012) können Sie hier downloaden: Die Medizin der Zukunft - Die Möglichkeiten der tierversuchsfreien Forschung |
Quellenangaben - Forschung der Zukunft |